Review: The Best of Super Eurobeat 2022

Einmal im Jahr veröffentlicht das japanische Musiklabel avex ein Best of seiner „Super Eurobeat“-Compilation. Während wir dabei bis zum Jahr 2016 tatsächlich eine Auswahl von Songs als Megamix erhielten, die in diesem Jahr erschienen sind, gibt es seit 2019 nur noch ein „Best of“-Album, welches 13-15 neue Lieder sowie einen thematischen Mix auf einer zweiten CD enthält. Man könnte die jährlich erscheinenden Alben also als spirituelle Nachfolger der „Super Eurobeat“-Serie sehen, die im Jahr 2018 nach 250 Volumes eingestellt wurde.

Die Hülle und CDs der "Best of Super Eurobeat 2022"

Kurzinfos:

  • Release: 02. November 2022 durch avex trax
  • CD 1: 13 neue Songs
  • CD 2: 30 Songs als Megamix mit dem Thema „Early 90’s Eurobeat“

Wie schon im vorhergehenden Jahr bedient sich avex bei der Gestaltung des Albums einer Retro-Optik. Die beiden Discs sind als Mini-Vinyls gestaltet und haben sogar haptisch fühlbare Rillen. Das Booklet dagegen ist relativ dünn, enthält aber die Songtexte der ersten CD in unfassbar kleiner Schrift. Im Vorfeld wurden Promo-Bilder erstellt, die MandieNRG und Honey Hime zum Teasern verwenden durften. Ich hätte mir gewünscht, dass sie diese Bilder auch als Seite im Booklet abgedruckt hätten.

Das Doppelalbum könnt ihr physisch aus Japan importieren oder digital bei ototoy (Disc 1) und iTunes (Disc 2) kaufen. Bei Spotify kann nur ein Lied in Deutschland gestreamt werden.

Einzelne Singles könnt ihr aber auch bei den Labels kaufen oder streamen. So hat Delta Music zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Blogposts seine Lieder Thunder Boy und Gimme Five auf Bandcamp veröffentlicht. A World of Joy von Dave Rodgers Music gibt es bei Spotify. Weitere Labels wie Hi-NRG Attack folgen bestimmt!

Disc 1 „New Releases“

Unter den 13 neuen Liedern gibt es einige besondere Werke, auf die sich ein Blick lohnt. Neben bekannten Größen aus der Eurobeat-Welt erscheint erstmals ein Song mit der Vloggerin MandieNRG auf einer Super Eurobeat. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte sie zusammen mit Nick Festari bei Hybrid Mix ihre ersten Singles. Doki Doki Beat sticht heraus mit Samples aus Liedern, die Festari zu seinen Zeiten beim Label Hi-NRG Attack produziert hat. Ganz heran an ihre erste Single Bad Man kommt das Lied zwar nicht, ist aber dennoch ein spaßiger Song, der mir vielleicht besser gefallen wird, je öfter ich ihn höre.

Promo-Bild mit MandieNRG
Promo-Bild mit MandieNRG

Eine weitere Besonderheit ist das Intro des ersten Liedes der Disc. Der Song Thunder Boy wird von Cherry gesungen, einem Urgestein in der Eurobeat-Szene und der italienischen Rock- und Pop-Musik. Das Lied wird durch den Stargast Marcello d’Azzurro eingeleitet. Er ist Radio-DJ bei Radio Stad Den Haag, wo er montäglich einen Italo-Disco-Mix spielt. Meiner Meinung nach wertet sein Intro das – so schon solide – Lied nochmals auf uns ist der ideale Start für eine neue Eurobeat-CD.

Das Label Delta Music Industry ist scheinbar auf den Geschmack klassischer Musik gekommen. Nach 2019 mit Dance to the Carmen gibt es diesmal Gimme Five von Mozart Mob. Mozarts bekannte Melodien werden wieder einmal zu einem Eurobeat-Song verarbeitet, was eigentlich nur eines bedeuten kann: Ohrwurm!
Sowohl bei Thunder Boy als auch bei Gimme Five setzt Delta auf auffällig viel Autotune. Gewöhnlich findet das bei Eurobeat keine bis kaum hörbare Anwendung, passt meiner Meinung nach jedoch völlig zur Musik. Wer Autotune in der Stimme nicht mag, wird mit diesen Liedern aber eher nicht glücklich.

Einen typisch starken Songbeitrag erhalten wir vom Label SinclaireStyle. Zusammen mit Dejo, auch bekannt als Niko, produzierte er das Lied Iron Power. Da Bratt Sinclaire ebenfalls als Künstler gelistet ist, bekommen wir hier was geboten: starke E-Gitarrenriffs! Dieser Song spielt für mich weit oben mit.
Die zweite Produktion aus Sinclaires Hause ist der obligatorische Song von Honey Hime. Ihr neuer Song Para Para Bee sticht durch musikalische Experimente heraus und genau das liebe ich: Mischungen aus Eurobeat und fremden Genres! Der Song beginnt mit einem quietschigen Intro, das aus Bubblegum Pop der späten 90er stammen könnte – und dann geht es über in eine Mischung aus Eurobeat und Hardstyle.

Promo-Bild mit Honey Hime
Promo-Bild mit Honey Hime

Franz Tornado darf natürlich auch nicht in der Auswahl fehlen. Mit Bandidos Bandolero bekommen wir einen klassisch sinnbefreiten Text, in dem Tornado sich zum Meister von Kalifornien und König von Mexiko macht. Ein spaßiger Song mit Trompeten und mexikanisch klingenden Gitarren. Im Vergleich mit Liedern wie Bandolero Comanchero kann dieser Song nicht gewinnen, hat aber dennoch Ohrwurm-Potenzial.

SCP Music gibt es zwei neue Lieder auf die Ohren: Fastway mit Play with Fire und Kiki & Fancy mit Dancin‘ Boy. Fastways Song erinnert mich stark an seine Musik aus der ersten Hälfte der 2010er. Während mir seine damaligen Lieder aber selten gefielen, überzeugt Fastway hier mit seinem Gesang. Da bekomme ich richtig Lust, mit Feuer zu spielen…
Dancin‘ Boy dagegen ist für mich einer der schwächeren Songs auf der Disc. Der typische SCP-Sound ist grundsätzlich immer gut und das Instrumental würde ich mir gerne anhören. Die Vocals überzeugen mich jedoch nicht, mir fehlt der Part, der wirklich im Ohr bleibt.

Ein Song, der für mich weit oben mitspielt, ist Lady Divine von Ken Martin. Vom Label Asia Records kommen im Prinzip nur Ohrwürmer, selten gefällt mir ein Lied mal nicht. Eine Frage machte mich beim Bekanntwerden der Tracklist aber sehr neugierig: Wer ist Ken Martin? Also wirklich: Der Alias wird von mindestens drei verschiedenen Personen verwendet. Für mich klingt es diesmal stark nach Fabio Serra. Aber egal, wer das Lied am Ende singt, ein Ohrwurm sprang hier auf jeden Fall heraus!
Der zweite „Asia Records“-Song ist More & More von Tipsy & Tipsy. Er knüpft vom Klang her an die T&T-Lieder der letzten Jahre an, ist etwas langsamer, entspannter, aber ebenfalls solide.

Zum Ende der Disc hin hören wir noch einen Song von David Dima. Tonite Tonite Tonite glänzt mit Dimas starken und emotionalen Vocals. Auch diesen Song würde ich als einen eher langsameren bezeichnen, sofern man im Eurobeat davon sprechen kann, nichtsdestotrotz macht es hier die Mischung aus seinem Gesang, kraftvollen Sounds und Beat Drops.

GReurosound schickt Together Forever von Betty Lou in den Ring und bringt den klassischen Klang von A-Beat C rein. Das Lied erinnert mich stark an ABC-Songs aus den späten 2000ern und das war leider nicht die Ära, die mir musikalisch zusagt. Insofern gehört dieses Lied zu den schwächeren Kandidaten.

Zum Abschluss hören wir uns noch A World of Joy an. Das Lied ist von „Kaiohs Vater und Dave Rodgers‘ Sohn“: Dave Rodgers feat. Kaioh. Bei Rodgers habe ich leider schon länger das Gefühl, er ruhe sich nur noch auf dem bestehenden Erfolg aus, den er mit „Initial D“-Klassikern wir Deja Vu eingefahren hat. Seine letzten Werke klingen für mich allesamt gleich und uninspiriert. A World of Joy ist da für mich keine Ausnahme und insgesamt der meiner Meinung nach schlechteste Song auf der CD. Nett ist allerdings das Intro, hier wurde der Jingle aus der Disney-Serie „Miraculous“ gesamplet – ob das beabsichtigt ist, stelle ich aber mal in Frage.

Fazit

Nachdem ich die CD nun einige Male durchgehört habe, ergeben sich für mich folgende Top- und Floplisten:

Top 3:
Mozart Mob – Gimme Five
Ken Martin – Lady Divine
Dejo & Bratt – Iron Power

Flop 3:
Betty Lou – Together Forever
Dave Rodgers feat. Kaioh – A World of Joy
Kiki & Fancy – Dancin‘ Boy

Disc 2 „Early 90’s Eurobeat Non-Stop Megamix“

Den Megamix habe ich einmal während einer Autofahrt durchgehört. Ich möchte lobend erwähnen, dass wir Lieder wie Just a Game von Vanessa hören können, immerhin der erste Song auf der ersten Super Eurobeat. Natürlich sind auch Klassiker dabei, die wir schon auf dutzenden Mixen hören durften, aber insgesamt war das eine gute Tracklist. Mir fehlte es etwas an Kreativität bei den Übergängen zwischen den Liedern, immerhin machen die die Non-Stop-Mixe aus. Wer auf die frühen Eurobeat-Lieder steht, darf sich hier auch auf eine Stunde feinen Italo-Disco-Sound freuen.

Kritik

Es ist schade, dass die erste Disc mit neuen Songs noch Platz für weitere Musik hätte. Mit gerade einmal einer Stunde und drei Minuten Laufzeit wären hier noch Platz für etwa 17 Minuten Musik gewesen, wenn man auf das Audio-CD-Maximum von 80 Minuten blickt. Es wäre also durchaus noch Platz für drei Extended-Songs oder Bonus-Mixe gewesen.
2021 bekamen wir 16 Songs mit einer Länge von 77 Minuten, darunter ein J-Euro-Song am Ende als eine Art Bonus. 2020 waren es immerhin 14 Lieder mit 70 Minuten Länge und einem Remix eines japanischen Songs.
Insofern könnte man sagen, die Inflation, die in Japan besonders stark ist, macht sich auch hier bemerkbar: man bekommt weniger Musik für das gleiche Geld.

Lohnt sich daher der Kauf? Ich würde mit einem klaren Jain antworten: Ich würde ich die CD als Japan-Import nur als Die-Hard-Fan empfehlen. Digital könnt ihr nämlich auch beide Discs kaufen und spart euch somit Versand- und Zollkosten.

Ansonsten werden wir uns die Lieder natürlich in nächster Zeit bei Starlight anhören, dort könnt ihr euch ebenfalls einen Eindruck der neuen Scheibe machen.


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